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Framing: zwischen Storytelling und Hetzjagd

Written by Aline Eichhorn

4 Oktober 2018

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Journalisten mögen sich an einem Satz orientieren, der Rudolf Augstein zugeschrieben wird: „Sagen, was ist“. Das entspricht auch dem Neutralitätsanspruch des Journalisten, des objektiven Beobachters. Vielen mag diese „reine“ Lehre angesichts der Entwicklung von Social Media inzwischen obsolet erscheinen. Doch entsprach sie jemals den realen Tatsachen?

Es waren der Psychiater Gregory Bateson und der Soziologe Erving Goffman, die in den Siebzigern den Grundstein zum interdisziplinär weiter erforschten Begriff des „Framing“ legten. Framing bedeutet nach Robert Entman: „einige Aspekte einer wahrgenommenen Realität auszuwählen und sie in einem Text so hervorzuheben, dass eine bestimmte Problemdefinition, kausale Interpretation, moralische Bewertung und/oder Handlungsempfehlung für den beschriebenen Gegenstand gefördert wird.“ Framing ist eine beliebte Methode in der Public Relation, vor allem in der politischen Kommunikation. Deutungsrahmen laden unabsichtlich oder manipulativ bestimmte, einzelne Begriffe auf, indem sie mit anderen daher kommen. Begriffswolken dienen auch immer wieder dazu, Sachverhalte zu vernebeln, statt sie zu klären. Das kann nicht der Ansatz einer seriösen, ethischen PR sein. Kürzlich veröffentlichten Houssam Hamade und Viola Nordsieck in der Zeit einen Essay zum Thema Framing [1]. Darin veranschaulichen sie, wie bedeutend der Gebrauch bestimmter Begrifflichkeiten besonders in der aktuellen Asylpolitik ist. Es käme durchaus im Detail darauf an, welche Wörter für die Beschreibung von Wirklichkeit verwendet würden. Jeder Begriff bringt ein Bedeutungsfeld mit sich – seien das historische Bezüge oder semantische Konnotationen. Der Realität wird damit ein Bedeutungsrahmen zugeschrieben: ein Frame. Dabei passiert Framing unwillkürlich, wenn Sachverhalte geschildert werden. Eine Situation lässt sich nur dann richtig einordnen, wenn jene Sachverhalte in einen Rahmen gesetzt wurden. Aber: „Flüchtlingswelle“, „Hetzjagd“, „Ausländer“, „Menschen mit Migrationshintergrund“ – gerade wenn diese Begriffe in einem Atemzug genannt werden, erzeugen sie beim Rezipienten zwangsläufig ein bestimmtes Bild. Der Deutungsrahmen entsteht automatisch, obwohl er mit der Realität rein gar nichts zu tun haben mag.

Die Zeit-Autoren nennen zum Beispiel das Wort „Flüchtingswelle“, das in seiner Zusammensetzung aus „Flüchtling“ und „Welle“ Jakob Biazza in der Süddeutschen diskutiert hat [2]. Deutungsrahmen passieren. Oft genug sind sie keineswegs zufällig. Der Zusammenhang mit Storytelling wird bei zusammengesetzten Worten bereits offensichtlich. Wer sich eine Begriffswolke baut, der muss die einzelnen Begriffe mit Sätzen verbinden. Wenn dies noch dazu in einer spannenden Story geschieht, der hat Framing optimal mit Storytelling verbunden. Framing ist also immer vorhanden, es kommt nur darauf an, was man daraus macht.

Durch gezieltes Streuen können Deutungsrahmen den Leser oder Hörer durchaus lenken. Dabei muss das Motiv nicht zwangsläufig von hetzender Natur sein, was die obigen Begriffe implizieren würden. Sie können auch Mut machen. So sagte Angela Merkel einst: „Wir schaffen das“. Sie sagte nicht „Wir können das unter Umständen schaffen“ oder „Wir versuchen unser Bestes“. Ihre Parole ließ keine anderen Optionen zu, als die Flüchtlingswelle zu bewältigen. Auch das ist Framing.

[1] Hamade, Houssman/Nordsieck, Viola: Jedes Wort setzt einen Rahmen. Vgl.: https://www.zeit.de/kultur/2018-09/framing-deutung-hetzjagd-chemnitz-hans-georg-maassen (11.09.2018)

[2] Biazza, Jakob: Wenn Menschen zur Naturkatastrophe werden. Vgl.: https://www.sueddeutsche.de/kultur/framing-check-fluechtlingswelle-wenn-menschen-zur-naturkatastrophe-werden-1.4038753 (03.07.2018)

Titel-Foto von rawpixel on Unsplash 

Beitragsbild: Bearbeitung von Halle-Leaks, der wiederum auf einen Beitrag eines österreichischen Mediums hier verweist.