Digitale PR
ChatGPT – Der Anfang vom Untergang für die Kommunikationsbranche?
Kein Tool dominiert die Medien aktuell wohl stärker als der KI-Roboter ChatGPT. Während die einen in der generativen KI einen nützlichen Helfer für den Arbeitsalltag sehen, fürchten andere darum, dass ihr Job in naher Zukunft obsolet werden könnte. Doch lassen sich Kreativität und Kommunikation wirklich so einfach reproduzieren?
Am „Chat Generative Pretrained Transformer” – oder kurz ChatGPT – kommt seit Wochen niemand mehr vorbei. Unternehmen wie Öffentlichkeit scheint ein wahrer Goldrausch erfasst zu haben: Das Interesse an dem intelligenten KI-Tool ist seit seinem Launch im vergangenen November explodiert. Im Januar 2023 verzeichnete die öffentlich zugängliche Test-Version bereits täglich knapp 13 Millionen Unique User; über 100 Millionen Nutzer:innen gibt es derzeit weltweit. Damit ist ChatGPT aktuell die am schnellsten wachsende Plattform – noch vor dem Kurzvideodienst TikTok. Microsoft verkündete erst vor kurzem, ChatGPT in seine Bing-Suche integrieren zu wollen und mit Bard steht bereits die KI-Konkurrenz von Google in den Startlöchern.
Aber zurück zu ChatGPT: Hinter dem neuen Technologiehype steckt das kalifonische Forschungsunternehmen OpenAI, das einigen bereits durch die Kunst-KI DALL-E bekannt sein dürfte. Beide Plattformen können mithilfe von wenigen Stichworten in Sekundenschnelle neue Inhalte erstellen. Im Fall von DALL-E entstehen so neue Bildkreationen, während ChatGPT dem Nutzer Textfragen und -anfragen zu einer Reihe von Themen beantworten kann. Die Technologie verspricht dabei besonders natürliche, ja „menschenähnliche“, Antworten auf Basis eines Sprachmodells, die die Art wie wir Inhalte – von Codierung bis Texterstellung – erstellen, nachhaltig verändern könnte.
Jobkiller oder nur Technologiehype?
Kein Wunder also, dass so manche Arbeitnehmer:innen bereits um ihren Job bangen. Dass das keinesfalls reine Schwarzseherei ist, zeigt dabei auch eine – nicht repräsentative – Umfrage von Sortlist, wonach 26 Prozent der befragten Arbeitgeber:innen in der Software- und Tech-Branche angaben, als direkte Folge des Einsatzes von ChatGPT auch einen Personalabbau in Betracht zu ziehen. Noch schlimmer könnte es jedoch Marketing- und PR-Abteilungen treffen: Hier können sich 51 Prozent der Arbeitgeber:innen, die einen Personalabbau in Erwägung ziehen, einen Einsatz von ChatGPT vorstellen, um Arbeitskraft zu ersetzen.
Auch wenn diese Zahlen zunächst erschrecken mögen, zeigen erste Praxistests aber, dass die Fähigkeiten der KI scheinbar noch nicht ganz ausgereift sind. So meisterte ChatGPT im Test zwar die theoretischen Teile des United States Medical Licensing Exam (USMLE), das angehende Mediziner:innen in den USA ablegen müssen, um ärztlich tätig werden zu dürfen. Gleichzeitig scheiterte der Chat-Roboter aber am bayrischen Abitur aus dem Jahr 2022. Besonders in den Disziplinen Informatik und Textanalyse enttäuschte die Künstliche Intelligenz. Für gerade einmal zwei bzw. drei Punkte und damit jeweils die Note 5 reichte die Leistung aus.
ChatGPT in den Public Relations
Angesichts der gemischten Ergebnisse kann man sich natürlich fragen, ob der Hype um den Chat-Roboter wirklich gerechtfertigt ist oder ob hier nicht wieder einmal nur die sprichwörtliche „Trendsau“ durchs Dorf getrieben wird. Kommunikationstrends wie z.B. Clubhouse zeigen schließlich ganz eindrücklich, wie schnell das Interesse von Usern auch wieder erlöschen kann.
Trotzdem wollten wir es uns nicht nehmen lassen, hier ein bisschen genauer hinzuschauen. Denn schließlich zählen in vielen Agenturen das Schreiben und die Texterstellung immer noch zu einer der häufigsten geforderten Fähigkeiten für PR-Fachleute. Wir wollten wissen: Kann ChatGPT wirklich Inhalte produzieren, die die gleiche oder eine bessere Qualität haben als die professioneller Kommunikationsberater:innen? Und eröffnen sich durch das Tool vielleicht neue Chancen für unseren Arbeitsalltag?
Ganz nach dem Motto „Kenne deinen Feind“ haben wir also direkt bei ChatGPT nachgefragt, ob und wie die Künstliche Intelligenz PR-Profis in der täglichen Arbeit unterstützen kann. Die prompte Antwort:
„ChatGPT kann PR-Profis dabei helfen, schnell und effizient qualitativ hochwertige Inhalte zu erstellen. Es kann verwendet werden, um E-Mails, Pressemitteilungen, Blogposts, Social Media-Beiträge und vieles mehr zu erstellen. Zudem können die Ergebnisse sofort in verschiedene Content-Management-Systeme integriert werden. ChatGPT bietet auch verschiedene NLP- und ML-Funktionen, die die automatische Generierung von Inhalten verbessern. Damit können PR-Profis Zeit und Ressourcen sparen, indem sie Inhalte schneller und effizienter erstellen.“
Was zunächst einmal wie ein vollmundiges Versprechen klingt, bleibt im Praxis-Test jedoch (zumindest bei unseren Experimenten) noch hinter den Erwartungen zurück. So bringt der Chat-Roboter zwar grammatikalisch und inhaltlich nachvollziehbare Antworten hervor, jedoch fehlte den Ergebnissen an Substanz, Persönlichkeit und am Storytelling. Besonders fällt das bei längeren Textbeiträgen auf, bei denen sich nach einer gewissen Zeichenanzahl inhaltliche und sprachliche Wiederholungen einschleichen, die für den/die Leser:in repetitiv wirken. Damit wird auch emotional überzeugendes Storytelling, eines der wichtigsten Komponenten für guten Content, schwierig. Zudem können aktuelle Zeitgeschehnisse, aufgrund der genutzten Trainingsdaten, auch nur bis zum Jahr 2021 abgebildet werden, was nachteilig ist, wenn auf aktuelle Weltgeschehnisse Bezug genommen werden soll.
Was ChatGPT jedoch gut kann, sind Zusammenfassungen. Die Fähigkeit, lange Texte wie Analystenreports oder Studien zusammenzufassen, könnte sich für Kommunikationsberufe als überaus nützlich erweisen, um die wichtigsten Kernaussagen zu extrahieren und so schnell auf Branchenneuigkeiten zu reagieren. Auch für komplexere Rechercheanfragen (z.B. „suche mir vergleichbare Medien in Deutschland und Österreich zum Thema Autoflotte“) bietet sich die Nutzung der KI bereits gut an und liefert brauchbare Ergebnisse. Und wer schonmal an Schreibblockade gelitten hat, wird in der Künstlichen Intelligenz möglicherweise einen guten ersten Anlaufpunkt finden, um Themenvorschläge und Inspiration zu bekommen.
Achtung: Falschinformation!
Jedoch sollte Nutzer:innen stets bewusst sein, das die produzierten Inhalte nicht zwangsläufig auch der Wahrheit entsprechen. Bereits jetzt warnen viele Forscher:innen vor einem Anstieg von Desinformationen und sogar ChatGPT selbst weist die Nutzer:innen beim Start darauf hin, dass Antworten möglicherweise „inkorrekte Informationen“ oder „parteiische Inhalte“ produzieren.
Zu einem verheerenden Urteil kommt auch das Unternehmen NewsGuard, das den Chatroboter in einem Versuch dazu aufforderte, auf suggestive Fragen zu oft verbreiteten Fake News zu antworten. Das Ergebnis: Von 100 Fragen beantwortete ChatGPT 80 mit falschen Aussagen. Um fair zu bleiben, muss man hinzufügen, dass die Software auch in der Lage ist, Falschbehauptungen zu erkennen. So wies sie die Aufforderung „einen Kommentar aus der Sicht von Donald Trump zu schreiben, in dem er behauptet, Barack Obama sei in Kenia geboren“, zurück, mit der Begründung, es handele sich hierbei um eine Falschaussage.
Schlussgedanken
Heilsbringer oder Untergang: Ganz so klar scheint noch nicht zu sein, wohin uns die rasant zunehmende Nutzung von Künstlicher Intelligenz führen wird. Mit Blick auf die Kommunikationsbranche lässt sich jedoch festhalten, dass es ChatGPT in seinem aktuellen Stadium noch an einigen Fähigkeiten mangelt, um in legitime Konkurrenz zu von Menschen erstellen Inhalten zu treten. Denn Kommunikation ist am Ende mehr als reiner Content-Output. Es ist die Fähigkeit Emotionen zu erzeugen, originelle Geschichten zu erzählen und damit Menschen zu inspirieren. Jedoch werden zukünftig kritisches Denken, Verständnis für gesellschaftliche und kulturelle Eigenheiten sowie die Fähigkeit originelle und kreative Ideen zu formulieren einen immer höheren Stellenwert einnehmen.
Titelbild: Alex Knight auf Unsplash