Storytelling

Die Macht des Fußball-Storytelling

Written by Florian Schafroth

22 Juni 2021

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Profifußballern eilt der Ruf voraus zu glattgespült zu sein. Insbesondere ehemalige Profis rufen regelmäßig via Presse nach „echten Typen auf und abseits des Platzes“. Doch wo sind all die Mario Baslers, Stefan Effenbergs und Mehmet Scholls? Eine ganz spezielle Spezies, die zur ihrer aktiven Zeit vor allem abseits des Platzes als schwierig aber auf dem Platz als geniale Fußballer galten, die das gewisse extra in die eigene Mannschaft brachten und ihr persönliches Fußball-Storytelling betrieben.

Heutige Trainer würden sich sicherlich keine Typen à la Basler in ihren Reihen wünschen. Der damalige Lebensstil und die Ausrichtung im Mannschaftsgefüge würden einfach nicht mehr in die heutige Zeit passen. Der Fußball hat damals anders getickt. Egozentrisches Verhalten wurde offen ausgelebt. Ein schönes Zeitdokument der damaligen Fußballer liefert die auf Youtube abrufbare Dokumentation Elf Freunde müsst Ihr sein, in der die Spieler keinen Hehl daraus machen, sich darüber zu freuen, wenn der um einen Stammplatz kämpfende Mitspieler sich verletzt.

Social Media – Die omnipräsente Anstandsdame von heute

Heute stellen – zumindest für die Öffentlichkeit – die Spieler ihre mannschaftliche Geschlossenheit und den Teamgeist nach vorne. In Zeiten von Social Media und ständiger öffentlicher Präsenz wäre es auch fahrlässig sich nicht vorbild- und tugendhaft zu präsentieren. Doch gibt es auch heute Raum für Ecken und Kanten? Wo sind die echten Typen im Fußball von heute? Welche – im besten Fall positive – Wirkung erzielen Profifußballer mit ihrer Social- und Medien-Power über den gängigen Instagram-Lifestyle hinaus?

Die Macht des Fußballs positiv verwandeln

Denn eines ist klar. Wer wie Christiano Ronaldo 386.903.422 Follower oder Mesut Özil 77.846.335 Follower sein Eigen nennen kann, verfügt über massiven Einfluss auf die eigene Fangemeinschaft, aber auch auf die Öffentlichkeit generell. Profifußballer sind im Endeffekt die Super-Influencer der heutigen Zeit. Die soziale und mediale Öffentlichkeit ist das neue Abseits des Platzes.

Wer gesellschaftspolitisch immer wieder auffällt ist Leon Goretzka. Der Bayernprofi hat im vergangenen Jahr mit seinem Mannschaftskameraden Joshua Kimmich die Initiative We kick Corona ins Leben gerufen. Zudem meldet sich der Nationalspieler regelmäßig zu Themen wie Rassismus und Zivilcourage zu Wort.

In Großbritannien ist es Marcus Rashford, Profi bei Manchester United, der sich für kostenloses Schulkantinenessen stark macht und – nicht unbedingt Fußballer-like – als klarer Fürsprecher für das Lesen von Büchern auffällt. Der Marcus Rashford Book Club steht bereits in den Startlöchern.

Auch haben sich sowohl deutsche als auch englische Profis in jüngster Zeit gegen Cybermobbing ausgesprochen. Liverpool-Kapitän Jordan Henderson hat seine eigenen Social-Media-Accounts für mehrere Wochen der Stiftung Cybersmile überlassen. Thierry Henry, Weltmeister von 1998, schloss sich der Bewegung mit einem Boykott an. Auch Thomas Tuchel (Trainer des FC Chelsea), Toni Kroos (aktiv bei Real Madrid) haben sich ganz klar gegen Cybermobbing positioniert. Ein Problem, das insbesondere auch den Frauenfußball betrifft.

Generell scheinen Fußballer (und der Sport generell), die gegen sie gerichteten Aggressionen im Internet vermehrt öffentlich zu machen. Zudem stellen Profis wie Leon Goretzka und Marcus Rashford ihre Reichweite in den Dienst der guten Sache und positionieren sich gegen Rassismus und gesellschaftliche Missstände. Ein Umstand, der in der 90er Jahren undenkbar gewesen wäre. Oder wer kann sich Icke Hässler und Jürgen Kohler als Sprachrohr gesellschaftspolitischer Themen vorstellen?

Die Macht des Fußball-Storytelling nutzen

Indem sich Sportler gesellschaftlich engagieren und positionieren, werden sie zu Storytellern, da hinter ihrem Anliegen immer starke Geschichten stehen wie beispielsweise der Kampf gegen Rassismus. Es wird spannend zu beobachten, welchen Geschichten Fußballer, Leichtathleten oder Baseballspieler in Zukunft Raum über ihre Reichweite geben – insbesondere auch im Rahmen von Großveranstaltungen wie Welt- und Europameisterschaften oder den Olympischen Spielen.

Denn abseits des Platzes haben sie einen enormen Sprung gemacht. Solange die Leistung auf dem Platz stimmt, werden sie es kaum bereuen.

Titelbild: Konstantin Evdokimov on Unsplash

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