Storytelling

Redewendungen – Storytelling ganz nebenbei

Written by Heike Hering-Haas

6 Juni 2023

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Redewendungen faszinieren mich immer wieder. Warum sagen wir „jemandem etwas durch die Blume“, „kommen auf keinen grünen Zweig“, „haben einen Frosch im Hals“, „nehmen kein Blatt vor den Mund“ oder „fressen einen Besen“. Woher kommen diese Sprachschnipsel, die es in jeder Sprache gibt? Welche Geschichten tradieren sie bis heute? Und wem erschließen sich diese Geschichtchen, dieses Storytelling in kondensierter Form, überhaupt?

Redewendungen haben Geschichte

Eine Redewendung, auch Phraseologismus, Idiom oder idiomatische Wendung, ist eine feste Verbindung mehrerer Wörter zu einer Einheit, deren Gesamtbedeutung sich nicht unmittelbar aus der Bedeutung der Einzelelemente ergibt. Soso. Es handelt sich um ein rhetorisches Stilmittel.

Die Herkunft von Idiomen ist nicht immer leicht zu bestimmen, da sie sich im Laufe der Zeit verändert haben und aus verschiedenen Quellen stammen können. Meist haben sie einen historischen oder kulturellen Hintergrund und können uns viel über die Sprache und Kultur des jeweiligen Landes verraten.

Ein paar „Kurzgeschichten“ und warum wir sie uns erzählen – aus Jux und Dollerei

Es juckt mich in den Fingern (woher kommt das schon wieder?), einfach mal ein paar Redewendungen zum Besten zu geben (und woher kommt das???) und das Geheimnis dahinter zu lüften (und das????? – da werde ich ja gar nicht mehr fertig mit Nachschlagen…. 😉 ).

Das sind doch olle Kamellen
Nein, es geht hier nicht um die Bonbons vom letztjährigen Rosenmontagszug, sondern um Kamillenpflanzen. Wenn man Kamille zu lange lagert, gehen Aroma und Heilkraft verloren. Alte Kamillen hatten keinen Wert mehr für den Apotheker.

Jemanden mit Rat und Tat unterstützen
Damit meint man, jemandem mit Dingen und Leistungen helfen. Rat bezeichnete früher alles, was gut fürs leibliche Leben war. Beispielsweis der Hausrat, der Vorrat und alle möglichen Geräte. Es hat also nichts mit einem Ratschlag, dem „guten Rat“ zu tun.

Alles in Butter

Hier geht es nicht um Fettgebackenes, sondern dass alles in Ordnung ist, denn wertvolle, zerbrechliche Güter, wie zum Beispiel Porzellan, wurden früher in Kisten mit flüssiger Butter eingegossen. Nach dem Erstarren der Butter waren diese beim Transport vor dem Zerbrechen geschützt.

Auf den grünen Zweig kommen

Eine ganz alte Redensart, die sich bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Ein frischer, grüner Zweig steht für Wachstum und Erfolg. Zudem gab es ab dem 17. Jahrhundert den Brauch, einem Grundstückskäufer einen grünen Zweig im Grasboden zu schenken. Die darin wohnenden Geister sollten dem neuen Besitzer Glück und Wohlstand bringen. Wer arm war und sich kein Grundstück leisten konnte, schaffte es deshalb auch nie, auf einen grünen Zweig zu kommen.

Grinsen wie ein Honigkuchenpferd

Das Honigkuchenpferd grinst bereits seit 1293: Damals verteilte der böhmische König Wenzel II. nach einem sehr harten Winter Honigkuchen unter der hungernden Bevölkerung. Diese hatten die Form von Pferden…. Später oft mit einem Grinsen aus weißem Zuckerguss. Wer wie ein Honigkuchenpferd lächelt, grinst eher dümmlich.

Aus dem Schneider sein

Diese Redewendung kommt vom früheren Kartenspielen. “Schneider sein” bedeutete damals, man hatte weniger als die Hälfte der Punkte, stand also gar nicht gut da. Als Schneider hatte man früher keinen angesehenen Beruf und stand so automatisch auf der Verliererseite und das übertrug sich so auf das Kartenspielen. Wer verlor, war Schneider. Wer aber “aus dem Schneider” war, hatte mehr als die Hälfte der Punkte und lief somit nicht mehr Gefahr zu verlieren. Kann sich also jemand aus einer schwierigen Situation befreien, sagt man noch heute “Der ist aus dem Schneider”.

Einfach übersetzen? Weit gefehlt!

Wer die Feuerprobe (woher kommt das schon wieder?) in einer Fremdsprache bestehen möchte, muss sich in den Redensarten dieser Sprache zu Hause fühlen. Denn hier kann so richtig viel schief gehen (zur Vermeidung von Fettnäpfchen verlinke ich an dieser Stelle auf unseren Beitrag zum Thema Lokalisierung DACH)! Ich habe spaßeshalber mal ein paar deutsche Redensarten ins Visier genommen und den Äquivalenten unserer britischen Kollegen und Kolleginnen gegenübergestellt.

  • Wenn wir jemanden auf den Arm nehmen, ziehen die Briten am Bein. (To pull someone‘s leg).
  • Wenn wir zwei lästige Fliegen mit einer Klappe schlagen, bewerfen die Briten Vögel mit Steinen. (To kill two birds with one stone).
  • Wenn wir Tacheles reden oder das Kind beim Namen nennen, sprechen die Briten einfach über Gartengeräte und sagen Spaten zum Spaten (To call a spade a spade).
  • Und wenn wir mühselig die Rosinen aus dem Kuchen picken, futtern die Briten einfach die ganze Marmelade (To have all the jam).
  • Wenn wir beim schweißtreibenden Hobeln Späne fallen lassen, wissen die Briten, dass man ein Rührei nur bekommt, wenn man die Eier vorher zerdeppert (You can’t make an omelette without breaking eggs).
  • Während wir die Ruhe selbst sind, sind die Briten so kühl wie eine Gurke (As cool as a cucumber) 😊

Diese und weitere lustige Idiom-Übersetzungen findet Ihr hier.

Es macht Spaß, sich mit detektivischer Neugierde à la Miss Marple auf die Suche nach den Geschichten hinter den Redewendungen zu machen und Sprachen und Kulturen immer besser zu verstehen. Und ich lasse mich gerne inspirieren, Storytelling auf Mikroebene zu betreiben und den privaten und beruflichen Alltag mit versteckten Geschichten bunter zu machen.

Titelbild: Lance Reis auf Unsplash