Studien & Research

Wer nicht fragt…. Interview mit einer Vollblut-Marktforscherin von Arlington Reserach

Written by Heike Hering-Haas

1 Februar 2024

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Vor einiger Zeit erschien im PR-Magazin ein Artikel rund um das Thema, wie Marktforschung heute geschieht: Hat das gute alte Telefon ausgedient? An welcher Stelle stehen Online-Umfragen heute und wer bespielt den Markt?

Vor diesem Hintergrund bin ich selbst in den Fragemodus gewechselt und habe Barbara Alford, Research Director bei unserer Schwesterfirma Arlington Research mit bald 35-jähriger Erfahrung in der Marktforschung, befragt.

Vorab noch ein paar Gedanken zur Forschung: erforschen lässt sich einfach alles, das Gänseblümchen, die Geschichte der alten Griechen, die Beschaffenheit des Mars, die Psyche des Menschen…. Alle Forschung hat eines gemeinsam: fragendes Interesse an der Sache an sich, jeweils passende Methoden und der Wunsch nach mehr Wissen und Erkenntnis. Tja, das war der Ausgangspunkt meiner Forschungsreise.

Welche Methoden in der Marktforschung zum Einsatz kommen, welche Forschungserfahrungen und Erfahrungsschätze bei Arlington liegen und welchen Nutzen Kunden von Berkeley durch die Zusammenarbeit mit Arlington haben, soll in diesem bunten Interview sichtbar werden.

Quantitative oder qualitative Befragung in der Marktforschung – Was ist die Methode der Wahl?

Die Frage der Forschungsmethode – ob quantitative oder qualitative Befragung – hängt ganz klar davon ab, was das Forschungsinteresse des Kunden ist. ‚One fits all‘ gibt es nicht.

Geht es darum, einen tieferen Einblick in beispielsweise Prozesse oder die Zusammenarbeit in Teams zu bekommen, muss ich mir Zeit für persönliche Interviews nehmen, also eine qualitative Befragung durchführen. Diese können als Face-to-Face-Einzelgespräche geführt werden oder moderiert in der Gruppe, um beispielsweise innerhalb eines Teams Wissen zusammenzutragen. Im persönlichen Interview erhält man automatisch feine Zwischentöne, die über ein Online-Panel nie an die Oberfläche gekommen wären. Bei Umfragen geht man also entweder in die Breite (quantitativ) oder in die Tiefe (qualitativ). Für die Tiefe reichen weniger Interviews, für eine Aussagekraft in der Breite sind es hingegen deutlich mehr.

Die Vorteile quantitativer Befragungen – heute in der Regel über selbständig ausgefüllte Online-Fragebögen – sind, dass sie schnell und kosteneffektiv sind. Hier gibt es wenig Aufwand für die Rekrutierung der Befragten oder für die Terminkoordination. Durch quantitative Befragungen lassen sich schnell statistisch genügend große Datengruppen zusammenbringen. Befragungen lassen sich stoppen, ändern und weiterführen. Die Basis für qualitativ hochwertige quantitative Befragungen ist jedoch ein fundiert entwickelter Fragebogen, da die Teilnehmenden diesen alleine ausfüllen und keine bzw. nur in Ausnahmen Möglichkeiten zur Nachfrage haben.

Je nach Forschungsinteresse macht es auch Sinn, beide Methoden zu kombinieren. Beispielsweise aufbauend auf qualitativen Interviews wird ein Fragebogen für eine quantitative Umfrage abgeleitet. Diese Vorgehensweise ist immer dann sinnvoll, wenn das Thema noch nicht ganz klar verstanden ist. Hier können qualitative Befragungen vorab tieferes Verständnis liefern und dadurch Entscheidungen vorbereiten.

Deep Dive: wie wird ein persönliches Interview zum Erkenntnisschatz?

Wer einen Menschen richtig kennenlernen möchte, verstehen möchte, was ihn motiviert und aus welcher Haltung heraus er handelt, muss ihm Raum geben und alles da sein lassen ohne Bewertung. Dieses Gefühl vollkommener Offenheit muss die interviewende Person vermitteln und eine entsprechende Atmosphäre herstellen. Die befragte Person muss das Gefühl haben, dass der/die Interviewende ehrliches Interesse daran hat, zu verstehen, wie sie zu Thema xy denkt, fühlt oder handelt. Sie muss sich im Gespräch sicher, interessant und wertgeschätzt fühlen.

Worin liegt denn das Geheimnis eines guten Fragebogens?

Ein guter, zielführender Fragebogen, aus dem man Informationen ziehen und Tendenzen ableiten kann, besteht aus klaren, einfachen, systematisch aufeinander aufbauenden Fragen mit eindeutigen Antworten.

Wie gestaltet sich der Prozess, einen Fragebogen für einen Kunden zu entwerfen?

In der Regel bekommen wir, Arlington Research, ein schriftliches oder mündliches Briefing im Kick-Off-Call. Im Anschluss daran entwerfen wir gleichermaßen für die qualitative und quantitative Umfrage einen Fragebogen, der an den Kunden – häufig gemeinsam mit einer PR- oder Marketing-Agentur – geht und nach interner Schleife (z.B. Marketing, Vertrieb etc.) zu uns zurückkommt. Wir editieren den Fragebogen erneut und arbeiten das Feedback und die Anforderungen in den Fragebogen ein und schicken das Dokument in einer zweiten Schleife an den Kunden zurück. In der Regel gibt es dann an dieser Stelle einen weiteren Call, um Feedback und Gedanken der Beteiligten final zusammenzutragen. Darauf aufbauend wird der Online-Fragebogen für Computer und Smartphones entwickelt, final gecheckt und wenn nötig in verschiedene Sprachen übersetzt.

Wie kommen die Fragen zu den Menschen und wer lässt sich überhaupt befragen?

Wenn wir also endlich so weit sind, geht die Feldarbeit los, wir schicken die Fragen also in die Welt. Und zwar über unsere langjährigen, qualitätsgeprüften Panel-Partner, also Anbieter, die Datenbanken pflegen und zusammentragen und die auf verschiedene Bereiche, Themen, Branchen, Länder etc. spezialisiert sind.

Verschiedene Panel sind unterschiedlich kostenintensiv, je nachdem wie leicht es ist, an bestimmte Personenkreise zu kommen, wie diese incentiviert werden können, etc. Allen gemein ist, dass sich die Teilnehmenden im Panel vorab bereit erklärt haben, an Befragungen teilzunehmen. Sie müssen bestimmte Informationen über sich abgeben, die in regelmäßigen Abständen überprüft werden.

Die Panels, die wir für unsere Kunden buchen, haben strikte Qualitätskontrollen hinsichtlich der Teilnehmenden aber auch hinsichtlich des Online-Befragungsprozesses. Durch Monitoring wird sichergestellt, dass blind durchgeklickte Fragebögen oder wenn Klicks immer an der gleichen Stelle auf Bildschirmhöhe erfolgen etc., aussortiert werden.

Welche Trends in der Marktforschung beobachtest Du?

Es gibt unheimlich viele Möglichkeiten, Befragungen ad hoc über z.B. Survey Monkey, LinkedIn etc.  durchzuführen. Und das wird auch getan. Diesen Trend sehe ich eindeutig. Für Mini-Befragungen zu singulären Themen kann das eine gute Lösung sein. Befragende sollten sich jedoch darüber bewusst sein, dass sie keine Informationen über die befragte Gruppe haben. Außerdem fehlt den Befragenden in der Regel methodisches Wissen darüber, wie ein Fragebogen aufgebaut wird. Beispielsweise werden gleich mehrere Aspekte in einer Frage erfragt, die sich nicht mit einer Ja-/Nein-Antwort in einem Fragebogen auf einmal beantworten lassen, oder es werden Fragen gestellt, für die aufbauende Fragen vorangehen müssen.

Mich begeistern die technischen Möglichkeiten, die das Internet und Social Media für Befragungen bieten. Gut eingesetzt sind das wunderbare Tools, um Wissen – oft auch unterhaltsam – zu gewinnen. Beispielsweise gibt es interaktive Befragungstools, bei denen die Befragten Aspekte auf einem Online-Board hin- und herschieben können, Maps erstellen können etc. So lassen sich auch komplexe Themen gut abbilden.

Viel genutzt werden auch sogenannte digitale Popup-Communities; also Online-Plattformen, die für ein bestimmtes Thema für eine bestimmte Zeit eingerichtet werden. Für diese Popup-Communities werden Leute incentiviert, die sich bereit erklären, über einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung zu stehen. In Chats, Foren, moderierten Gesprächen etc. findet in und mit dieser Gruppe Austausch statt, der zum jeweiligen Thema viel Informationen und Erkenntnisse liefert.

Was ich auch beobachte, ist, dass Befragungen unkompliziert immer feiner granuliert werden können, da wir durch unsere Panel-Partner auf hoch spezialisierte Datenbanken und auch an schwer zugängliche Zielgruppen zugreifen können.

Welche Themen haben bei Arlington Research Hochkonjunktur?

Unsere Kunden sind sehr vielfältig und so auch die Themen. Gleichzeitig beobachten wir auch, dass Themen, die aktuell ganz oben auf der Agenda in der Öffentlichkeit stehen wie Nachhaltigkeit, Umweltthemen (Green Credentials), Fachkräftemangel oder KI sich auch in unseren Befragungen verstärkt widerspiegeln.

Welche Rolle spielt Arlington in der Zusammenarbeit mit Berkeley?

Arlington unterstützt Berkeley vor allem in zwei Bereichen: in der klassischen Consumer-Marktforschung und im Bereich Brandreview/Rebranding.

Ergebnisse aus der Consumer-Marktforschung liefern die Basis für Content-Entwicklung und für PR-Kampagnen. Nur wer News hat, hat etwas zu berichten. Wir stecken also die Köpfe zusammen und entwickeln die richtigen Fragen, um Inhalte für fundierten Content und gute Stories zu generieren.

Im Bereich Brandreview/Rebranding unterstützt Arlington Berkeley dabei, dass Kunden, die sich mit dem Thema Unternehmens- und Markenidentität auseinandersetzen, sich als Basis für den Branding-Prozess zunächst selbst besser kennenlernen oder/und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit einfangen. Um ins Unternehmen hineinzulauschen, führen wir Gespräche mit Mitarbeitenden, für den Blick nach außen Befragungen der Zielgruppe durch. Die Forschungsergebnisse liefern eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung des Purpose, Branding, unternehmerischer Entscheidungen und der Kommunikation des Unternehmens.

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Barbara.

Über Barbara Alford:

Barbara ist seit bald 35 Jahren in der Marktforschung tätig. Sie begann ihre Karriere in Großbritannien, wo sie seit 1989 für Unternehmen wie Taylor Nelson Sofres und Millward Brown tätig war. Sie schloss ihr Studium der Geisteswissenschaften am Birkbeck College (University of London) mit Auszeichnung ab und absolvierte eine Ausbildung zum NLP Master Practitioner und in der Psychologie der Entscheidungsfindung (Framing of Decisions). Im Jahr 2006 kehrte sie nach Deutschland zurück und gründete ihr eigenes Beratungs- und Forschungsunternehmen. Seit 2021 arbeitet sie für Arlington Research.

Projekte mit den Schwerpunkten Markenwahrnehmung und -entwicklung, Produkteinführungen, B2B-Kundenzufriedenheit, Marktpräsenz & Wahrnehmungsanteile und Wettbewerbskartierung gehörten in den letzten zehn Jahren ebenso zu ihren Aufgaben wie die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, u.a. für Patienten und Leistungserbringer, App- und Website-Usability-Testing sowie Informations- und Marketingkommunikation im medizinischen Bereich.